Corona-Hilfen – warum insolvente Unternehmen in Eigenverwaltung leer ausgehen
Die bewilligten Corona-Hilfen belaufen sich inzwischen auf eine historische Summe von fast 130 Milliarden Euro (Stand 14.12.2021). Ein solches Ausmaß an staatlichen Hilfsprogrammen war seit dem Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg nicht mehr notwendig. Die Unterstützung soll der deutschen Wirtschaft den dringend benötigten Auftrieb zur Überwindung der Krise geben. Doch viele Experten und Expertinnen kritisieren die Handhabung der Corona-Hilfen und halten sie für volkswirtschaftlich bedenklich.
Hilfe tatsächlich für alle pandemiegeschädigten Unternehmen?
Die staatlichen Hilfspakete sollen alle Unternehmen, Soloselbständigen und FreiberuflerInnen unterstützen, die von den Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung besonders stark betroffen sind – so das Versprechen des Bundeswirtschaftsministeriums. Ausgeschlossen werden allerdings Unternehmen, die sich in einem Insolvenzverfahren befinden, und somit auch Unternehmen im Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren. Für viele Insolvenzexperten ist das unverständlich, denn Betriebe im Eigenverwaltungsverfahren haben eine transparente finanzielle Struktur, arbeiten an einem neuen wirtschaftlichen Fundament und wissen erfahrene Sanierungsexperten an ihrer Seite. Nur die Rücklagen fehlen, um die Folgen der Pandemie abzufangen.
Keine Unterstützung trotz positiver Fortführungsprognose
Gerade bei Insolvenzen in Eigenverwaltung stehen die Chancen für eine erfolgreiche Sanierung meist gut. Schließlich wird vor Bewilligung des Antrags geprüft, wie aussichtsreich eine Neuaufstellung überhaupt ist. Im Gegensatz zum regulären Insolvenzverfahren bleibt das operative Geschäft in den Händen der bisherigen Geschäftsführung, Sanierungsberater unterstützen in der Regel. Zusätzlich wird das Verfahren durch vom Gericht bestellte Sachwalter, welche auf die Wahrung der Gläubigerinteressen achten, überwacht. Neben Insolvenzexperten werden auch die Stakeholder in den Prozess eingebunden: Banken, Kunden, Lieferanten und die Belegschaft. Doch trotz des transparenten und umfassenden Sanierungsansatzes wird diesen Unternehmen die staatliche Hilfe verweigert. Selbst dann, wenn sie bereits ein fundiertes Sanierungskonzept vorweisen können und der Verfahrensabschluss nur noch reine Formsache ist.
Stattdessen: Aufschieben wurde belohnt
Auf der anderen Seite gingen Hilfen zum Teil an „Zombieunternehmen“, die oft nur formell noch nicht insolvent sind – auch wenn das natürlich anders angedacht ist. Da die Schieflage hier jedoch bisher unter dem Radar blieb, gibt es auch keine Prüfung der Fortführungsfähigkeit. Es ist meist aber mehr als unwahrscheinlich, dass solche Unternehmen die Auswirkungen der Coronakrise langfristig überstehen werden. Gerade aufgrund der zeitweisen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht saß sicher manch insolvenzreifes Unternehmen eine Insolvenzanmeldung aus. Die Gefahr dabei: Ohne entsprechende Expertise finanzieren UnternehmerInnen oft nur kosmetische Einzelmaßnahmen, statt die Ursachen der Krise nachhaltig zu bekämpfen. Im Zweifel wächst dadurch der Bedarf an Mitteln noch zusätzlich an. Außerdem verlieren die Unternehmen wertvolle Zeit für die Sanierung, die Ursachen werden nicht beseitigt. Denn: Je früher auf eine wirtschaftliche Schieflage reagiert wird, desto besser sind die Aussichten auf einen Erhalt des Unternehmens.
Entsteht eine Parallelwirtschaft?
Die zeitweise Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sollte dazu dienen, Unternehmen, die durch die Corona-Krise in finanzielle Schwierigkeiten geraten waren, vor einer Pleite zu bewahren. Doch der darauffolgende, massive Rückgang bei den Insolvenzzahlen zeigt, dass sich die Entwicklung der Konkurse dadurch eher von der tatsächlichen Wirtschaftslage abgekoppelt hat. Es verblieben Unternehmen am Markt, die auch ohne Corona-Krise nicht mehr überlebensfähig wären. In dieser Entwicklung sehen Insolvenzexperten eine Verzerrung des Wettbewerbs. Die Folgen davon werden sich in den nächsten Monaten und Jahren noch zeigen.
Forderung nach Überarbeitung bleibt wirkungslos
Eine Unterscheidung nur nach dem formellen Status „insolvent“ oder „nicht insolvent“, ist für eine verantwortungsvolle Verteilung der Coronahilfen nicht ausreichend. In einigen Fällen trafen Unternehmer schon vor der Corona-Krise falsche ökonomische Entscheidungen, deren Folgen durch die Pandemie nur verstärkt wurden. Für Experten ist es somit nicht nachvollziehbar, dass im Grunde insolvente Unternehmen, die die Insolvenz lediglich nicht anmelden mussten, Coronahilfen erhalten haben – Unternehmen in einer aussichtsreichen Sanierung aber nicht.
Doch die Forderungen nach Nachbesserungen bei den Antragsregelungen laufen bisher ins Leere. Die Begründung: Eine Antragsberechtigung während eines laufenden Insolvenzverfahrens wäre mit aufwendigen Prüfungen verbunden. Eine Fortführungsperspektive müsste bestimmt werden, was neben hohem Personalaufwand auch eine lange Verzögerung zwischen Antragstellung, Bewilligung und Auszahlung zur Folge hätte. Damit könnten die staatlichen Hilfen nicht mehr zur kurzfristigen Stabilisierung beitragen. Stattdessen wird in diesen Fällen auf die Härtefallfonds verwiesen.
Rechtzeitig die Weichen stellen
Da in der Eigenverwaltung entsprechend auch weiterhin keine staatliche Hilfe zu erwarten ist, müssen kriselnde Unternehmen umso zeitiger saniert und im Rahmen des Verfahrens konsequent neu aufgestellt werden.
Sie haben Fragen rund um Insolvenz, Eigenverwaltung oder Schutzschirmverfahren? Unser Experte berät Sie gern.
beitrag von Franz-Rüdiger Scheffler
Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter bei der Tiefenbacher Insolvenzverwaltung.
Telefon: +49 351 477 82 51