Interview Krankenhausinsolvenzen: ABG Consulting

Woran leiden deutsche Krankenhäuser?

Um die hiesige Krankenhauslandschaft ist es aktuell nicht gut bestellt: Die Einrichtungen haben Schwierigkeiten, Patienten ausreichend zu versorgen, die Finanzierung ist oft unsicher, Personal wandert ab und Insolvenzen häufen sich. Auch die Sachsen-Klinik Naunhof und die dazugehörige Pflegeeinrichtung Muldentalstift werden gerade über ein gerichtliches Verfahren saniert. Wir baten deren Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Joachim Voigt-Salus von der Kanzlei VOIGT SALUS. um eine Diagnose des Krankenhaussystems. 

Herr Voigt-Salus, inwieweit ist das Insolvenzverfahren der Sachsen-Klinik ein Beispiel für die Not deutscher Krankenhäuser?

Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser stehen nicht erst seit der Corona-Krise unter einem erheblichen wirtschaftlichen Druck. Bereits vor 2020 meldeten, je nach Jahr, zwischen 20 und 50 Prozent der Krankenhäuser Verluste. Die Insolvenz der Sachsen-Klinik Naunhof und ihres Altenpflegeheims Muldentalstift ist folglich nur ein Symptom des erkrankten Gesundheitssystems. Die Liste ließe sich noch viel weiter verlängern: Etwa um die Insolvenz des Pflegeheimbetreibers Convivo in Bremen oder der CURATA-Gruppe in Berlin. Die von den Kostenträgern zur Verfügung gestellten Vergütungen sind offensichtlich nicht ausreichend. Zum Befund gehört aber auch, dass die Politik die Auffassung hat, in Deutschland gebe es zu viele Krankenhäuser – weil zum Beispiel Dänemark oder die Niederlande nur mit einem Viertel der Häuser pro Kopf klarkommen. So war selbst während der Pandemie ein drastischer Bettenabbau für die Politik kein Alarmzeichen. Vielmehr wird dies mit einer gewissen Gleichgültigkeit hin- oder sogar positiv aufgenommen, weil das Krankenhaussterben letztlich bei der Kostenreduzierung hilft. Verbunden ist dies allerdings mit einem unkoordinierten Prozess, der die Versorgung gefährdet: Es fehlt zunehmend an Spezialeinrichtungen, Reha-Kliniken und Plätzen in der Altenpflege.

Damit enden die Schwierigkeiten aber sicher noch nicht?

Nein, die Pandemie mit ihren besonderen Herausforderungen, jetzt die Inflation und die gestiegenen Kosten vor allem im Energiesektor – all das verschärft die Erlössituation weiter. Dramatisch ist auch die Personalsituation, weil immer weniger Menschen bereit sind, eine Pflegetätigkeit zu dem sehr geringen Lohnniveau auszuüben. Ich kenne den Fall einer Klinik, die von 1.000 Betten nur 600 belegen kann, da ihr die Pflegekräfte fehlen. Und die Lage verschärft sich jede Woche weiter, weil Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Personalüberlassungsunternehmen wechseln. Dort können sie zu besseren finanziellen Konditionen und vielmals ohne Schichtdienst arbeiten, während die Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen diese Leistungen dann teuer einkaufen müssen. Am Markt finden sie schlicht kein Personal mehr, den Mehraufwand können die Einrichtungen aber nicht abrechnen.

Rechnen Sie dieses Jahr mit weiteren Klinik-Insolvenzen?

Die beschriebene Lage wird zwingend dazu führen, dass wir auch in den nächsten Monaten weitere Krankenhausinsolvenzen erleben werden. Als sehr prekär sehe ich nach wie vor allerdings die Lage im Pflegebereich: Hier könnten wir vor einer Welle von Insolvenzen besonders in der Alterspflege stehen.

Welche Sanierungsoptionen bieten Insolvenzverfahren für Krankenhäuser?

Etwas polemisch gesagt, sollte ein Insolvenzverfahren für Krankenhäuser keine Option sein müssen. Denn die Bundesländer sind verpflichtet, die Krankenhausinvestitionen zu finanzieren. Leider sind viele Länder dieser Verpflichtung in den letzten Jahren immer weniger nachgekommen. Deshalb mussten sich mehr und mehr Krankenhäuser wie private Unternehmen finanzieren und haben damit Fremdkapital aufgebaut, was vom gesetzlichen Leitbild her gar nicht erforderlich wäre. Diese Verschuldung allerdings belastet die Einrichtungen zunehmend über Gebühr. Das Insolvenzverfahren, das mit dem Planvergleich eine neue Schuldentragfähigkeit herstellen kann, ist deshalb auch für Krankenhäuser eine Sanierungschance. Zudem können natürlich die insolvenzrechtlichen Werkzeuge zur Vertragsanpassung oder -beendigung genutzt werden, um eine Rückzugsstrategie oder Umgruppierung zu ermöglichen.

Wenn Sie nähere Fragen zum Thema Insolvenz und Sanierung von Gesundheitseinrichtungen haben, dann wenden Sie sich gern an unseren Gesprächspartner:

Interview Krankenhausinsolvenzen: ABG Consulting

Gastbeitrag von Joachim Voigt-Salus

Rechtsanwalt

Kanzlei VOIGT SALUS

Mail: leipzig@voigtsalus.de

Telefon: +49 341 23178 0

Mehr Informationen: www.voigtsalus.de

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