Automobilindustrie

Digitalisierung, Halbleitermangel und Co. – So steht es um die Automobilindustrie

Ende Januar 2020 wurde der erste bekannte Fall von Covid-19 in Deutschland bestätigt. Seitdem hat sich das Leben und Arbeiten verändert. Auch die Automobilindustrie bleibt davon nicht verschont. Doch nicht nur die Corona-Krise stellt die Branche vor immense Herausforderungen. Halbleitermangel, Digitalisierung und Elektromobilität erzwingen strategische Weichenstellungen. Aufgrund der anhaltenden Herausforderungen teilt sich die Autoindustrie zunehmend in Gewinner und Verlierer auf.

 Handlungsdruck in der Autoindustrie nimmt deutlich zu

In den letzten Jahren haben der Dieselskandal und die Corona-Pandemie die hiesige Autoindustrie in Bedrängnis gebracht. 2021 sollte das Jahr werden, in dem sich die Branche erholen und neue Absatzrekorde vermelden wollte. Es sollte allerdings anders kommen: Kaum zogen die Vorbestellungen für die Fahrzeuge wieder an, stand mit Materialengpässen die nächste Herausforderung auf dem Plan. Nach wie vor sind Chips und Halbleiter für bestimmte Branchen Mangelware. Das führte in den letzten Monaten immer wieder dazu, dass die Automotivehersteller ihre Produktionen drosseln und teilweise sogar ganz stoppen mussten. Ausfälle der Zulieferfabriken in den USA und Japan sowie Probleme in den globalen Lieferketten verstärken die Situation. Viele Hersteller können daher nicht die gewünschte Menge an Fahrzeugen produzieren.

Neue Technologie und „Auto as a Service“

 Bei den Autobauern und ihren Lieferanten besteht jedoch nicht nur aufgrund des Rohstoffmangels Anspannung – in erster Linie herrscht hier durch die Umstellung auf neue Technologien Anpassungsbedarf. Der E-Auto-Anteil am Gesamtmarkt wird bis 2030 global voraussichtlich 28 Prozent und in Europa sogar mehr als ein Drittel betragen. Der Erfolg der deutschen Automobilindustrie basiert seit vielen Jahrzehnten jedoch auf der Expertise im Bereich des Verbrennungsmotors. German Engineering wurde dafür lange Zeit weltweit bewundert und geschätzt. Diese Technologieführerschaft auch zukünftig aufrecht zu erhalten, wird schwierig, denn die Elektromobilität ist auf dem Vormarsch und bietet schon jetzt innovative Lösungen. Die technische Umstellung auf Elektrofahrzeuge fällt der Automobilbranche derzeit aber noch schwer.

Wohl noch gravierender ist, dass das Produkt „Auto“ selbst eine grundlegende Veränderung erfährt. Es wird vernetzter, autonomer, jedoch auch austauschbarer. In Zukunft wird es mehr und mehr um Mobilität als Service und Teil der Nutzererfahrung gehen. Damit verlieren Autos zunehmen ihren ideellen Wert als Statussymbol – und die Hersteller ein jahrzehntelanges Verkaufsargument. Es wird künftig erforderlich sein, Kfz mehr und mehr in Sharing-, Abonnement- und Function-on-Demand-Modelle zu überführen.

 Mobilitätswandel in den Städten

 Viele Metropolen der Welt haben damit begonnen, ihre Infrastrukturplanung vom Auto auf andere Verkehrsmittel wie das Fahrrad zu verlagern. Einige Städte planen in den nächsten 15 bis 20 Jahren sogar ein komplettes Pkw-Verbot. Der Anteil der Weltbevölkerung, der in Städten lebt, liegt bei über 50 Prozent. Damit kann sich die Branche ausrechnen, wie stark der Autoabsatz wohl zurückgehen wird. Auch wenn nicht alle Metropolen die Maßnahmen gleich konsequent umsetzen werden, wird die Nachfrage nach Autos über kurz oder lang sinken. Elektroroller, Carsharing und irgendwann vielleicht sogar autonome Robotertaxis – all dies wird noch viele Menschen dazu veranlassen, ihr Auto aufzugeben. Da viele Hersteller den frühen Einstieg in diese Märkte verpasst haben, wird es schwierig, die Absatzausfälle auszugleichen.

Risiken für Autozulieferer

Die Herausforderungen nehmen insbesondere für kleine Zulieferer zu. Experten sind sich einig: Eine anhaltende Planungsunsicherheit könnte zu einem Dominoeffekt führen, der einen weitreichenden Bedarf an Restrukturierungen nach sich zieht. Insbesondere Zulieferer, die stark von einzelnen Regionen, Autoherstellern und Fahrzeugklassen abhängig sind, müssen sich auf große Schwankungen einstellen. Die Aussichten für diese Unternehmen sind somit in einem ohnehin kritischen Marktumfeld alles andere als optimistisch.

 Erfolgsaussichten für Autohersteller

Es scheint paradox: Während viele Zulieferer ums Überleben kämpfen, erzielen die Autohersteller durch ihre Fokussierung auf markenstarke Modelle und Preissteigerungen beispiellose Gewinne. Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young stieg der Betriebsgewinn der weltweit 16 größten Hersteller im dritten Quartal 2021 trotz eines Umsatzrückgangs von 16 Prozent um 11,4 Prozent auf einen Rekordwert. Eine aktuelle Alix-Partners-Studie zeigt zudem, dass sich die Hersteller insbesondere im Bereich der Elektromobilität künftig einen höheren Erlös als bisher erhoffen.

Handlungsbedarf erforderlich

 Alle Akteure der Branche sind weiterhin dazu angehalten, trotz der fortwährenden Krisen in die Zukunftsthemen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Elektromobilität zu investieren. Die Automobilindustrie ist zwar an den Herausforderungen der letzten Jahre nicht zerbrochen. Dennoch befindet sie sich in einem grundlegenden Wandlungsprozess, dessen Konsequenzen nicht nur im nächsten Jahr, sondern wahrscheinlich weit darüber hinaus spürbar sein werden. Auf die Branche kommen durch Anpassungen bei Angebot und Prozessen mittelfristig hohe finanzielle Belastungen und strukturelle Veränderungen zu. Es wird unerlässlich sein, den Fokus auf Krisenmanagement und gesteuerte Transformation zu richten.

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Simon Leopold

beitrag von Simon Leopold

Geschäftsführer ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG

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