Experteninterview: Insolvenzrelevante Hinweispflichten für Steuerberater

Das deutsche Insolvenzrecht umfasst viele Bereiche und ändert sich stetig. Auch Steuerberater müssen sich mit den Regelungen und Pflichten befassen. Gerade wenn es um die Zahlungsfähigkeit geht, heißt es für sie, sorgfältig zu arbeiten und ihr Wissen um potenzielle Risiken zu teilen. Folker Hochmuth, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht sowie Fachanwalt für Steuerrecht bei der Wirtschaftskanzlei Beck Rechtsanwälte, spricht über die insolvenzrelevanten Hinweispflichten steuerlicher Berater.

 

Herr Hochmuth, welchen insolvenzrelevanten Hinweispflichten müssen Steuerberater mittelständischer Unternehmen nachkommen? Sind diese sich dessen bewusst?

Jüngere insolvenzrechtliche Entscheidungen in der Rechtsprechung befassen sich nach wie vor mit den Warn- und Hinweispflichten von Steuerberatern. Dabei wird das Augenmerk auf den vom Unternehmen mandatierten Berater gelegt, der nicht explizit mit der unmittelbaren Insolvenzberatung beauftragt ist. Nach meiner Erfahrung ist sich der für die kleinen und mittelständischen Unternehmen tätige Steuerberater diesen Verpflichtungen häufig selbst nicht bewusst. Das Mandatsverhältnis zwischen Berater und Unternehmen ist meist von einer regionalen Verbundenheit und zum Teil auch persönlichen Vertrautheit geprägt. Wobei der Fokus in der Verbuchung und Abgabe steuerlicher beziehungsweise sozialversicherungsrechtlicher Erklärungen liegt.

Der Steuerberater muss bei der Erstellung des Jahresabschlusses jedoch darauf achten, die handelsrechtliche Fortführungsprognose tatsächlich und rechtlich zutreffend zu erstellen. Dabei hat er seinen Kenntnisstand zu aktualisieren und bei negativen Anhaltspunkten die Einschätzung des Unternehmers einzuholen. Eine Verarbeitung des Zahlenwerkes durch Mitarbeiter im Steuerbüro genügt dem meiner Einschätzung nach nicht. Gefordert ist die Kommunikation zwischen Mandant und Berater. Diese kommt oft zu kurz: Nicht selten fehlt das Gespräch über die Unternehmenslage.

Neben der Tätigkeit zur Datenverarbeitung und -versendung sollten die Steuerberater daher auch Anhaltspunkten für eine bilanzielle Überschuldung, wiederholte Verluste und ständig ungedeckte Fehlbeträge nachgehen. Hinweispflichten entstehen, wenn ein Insolvenzgrund erkannt wird oder ernsthafte Anzeichen dafür vorliegen, dass sich der Mandant der möglichen Insolvenzreife nicht bewusst ist.

 

Was ist der Hintergrund der Hinweispflichten?

Nach meiner Wahrnehmung wird mit der Rechtsprechung vom Steuerberater eingefordert, sein Wissen an den Mandanten weiterzugeben: Dieser soll seinem Beratungsmandat in den notwendigen Fällen nachkommen. Eine Forderung, die ich im Rahmen meiner anwaltlichen Tätigkeit auch immer wieder von Unternehmern gespiegelt bekomme. Hier zeigt sich, dass die Tätigkeiten der Unternehmen und der Steuerberater über die Jahre immer stärker von bürokratischem Aufwand geprägt wurden, der die Beratung zurückgedrängt hat.

Die Rechtsprechung macht die wechselseitigen Verantwortlichkeiten deutlich. Denn der Berater darf sich notwendigen Rückfragen des Unternehmers nicht verschließen. Auch wenn der erstellte Jahresabschluss mängelfrei ist, können weitergehende Hinweispflichten auf eine mögliche Insolvenzreife bestehen. Hier gilt es, den Unternehmer zu sensibilisieren.      

 

Welche Risiken bestehen für Berater, wenn sie der Verpflichtung nicht nachkommen?

Der Steuerberater kann der Gesellschaft für den aus einer Insolvenzverschleppung entstandenen Schaden haften. Dies gilt zumindest so weit, wie der Schadensersatz im Insolvenzfall nicht durch Rückgewähr krisenbedingter Zahlungen von Gläubigern oder durch Ersatzleistungen der Geschäftsführung durchzusetzen ist. Da es sich dabei meist um hohe Beträge handelt sowie die Sach- und Rechtslage mehrdeutig ist, trifft diese Verantwortlichkeit den Steuerberater in unverhältnismäßiger Weise zu dem, was er für das Mandat honoriert bekam.

Allein die Verletzung von Hinweispflichten führt aber nicht zwingend zur Haftung. Denn es ist oft schwierig festzustellen, ob ein Schaden direkt durch eine bestimmte Handlung oder ein Versäumnis, etwa des Steuerberaters, verursacht wurde. Außerdem ist kaum vorherzusagen, wie sich das Unternehmen verhalten hätte, wenn es ordnungsgemäß informiert worden wäre.

 

Was würden Sie Steuerberatern empfehlen?

Meine Empfehlung an die Berater ist, anhand des erstellten Zahlenwerks das Gespräch mit dem Unternehmer zwingend zu führen. Mit elektronischen Hilfsmitteln kann sich der Steuerberater Unregelmäßigkeiten in den Kennzahlen oder Abweichungen markieren lassen und die Kommunikation darauf ausrichten. Diese Kommunikation sollte ebenso dokumentiert werden, wie die vom Mandanten dazu gemachten Angaben und die im Ergebnis erteilten Hinweise. Dies dient der Klarheit und Nachvollziehbarkeit auf beiden Seiten.    

   

Sie haben individuelle Fragen zum Thema? Sprechen Sie mich gern an.

Folker Hochmuth

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht

Beck Rechtsanwälte

Mail: Hochmuth@anwaelte-beck.de

Telefon: +49 361 3494 943 0

Mehr Informationen: http://www.anwaelte-beck.de/

 

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