Start-ups – die „Krise“ als Normalzustand
Im Gespräch mit Christian Krönert
Wer ein Start-up gründet, ist in der Anfangsphase damit beschäftigt, das Geschäftsmodell voranzutreiben und die Finanzierung zu sichern. Gründerinnen und Gründer gehen dabei immer ein Risiko ein – schließlich muss die neue Geschäftsidee erst am Markt auf ihre Funktionalität hin erprobt werden. Im Gespräch erzählt Christian Krönert, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter bei VOIGT SALUS., mit welchen Herausforderungen sich Start-ups konfrontiert sehen, wie sie diese angehen können und welche Bedeutung der Markt in Zukunft gewinnen wird.
Warum geraten Start-ups zunehmend in die Krise? Gibt es zu viele Gründungen und zu wenig Kunden? Oder ist ein zu schnelles Wachstum hier das Problem?
Also ich würde zunächst einmal negieren, dass zunehmend mehr Start-ups in die Krise geraten. Es ist eher so, dass das Start-up-Dasein per se eine Risikounternehmung und damit eine „Krise“ ist: Es gibt eine neue Geschäftsidee, die noch nicht am Markt erprobt wurde, aber aus Sicht der Gründer gute Erfolgsaussichten hat. Dann wird durch Eigen- oder Fremdkapital versucht, der Idee Leben einzuhauchen – und immer bleibt das Risiko, dass es am Ende schief gehen kann. Wenn wir uns die Statistiken anschauen, dann ist es faktisch so, dass der weitaus größere Teil der Start-ups am Ende nicht erfolgreich ist, ein gewisser Teil sogar pleitegeht. Start-ups sind nämlich eine Art Inkubator für innovative Neuerungen in der Wirtschaft und funktionieren nach dem Prinzip „Trial-and-Error“.
Finden zu wenige Start-ups einen passenden Investor oder können die Gelder aus den Finanzierungsrunden nicht effektiv eingesetzt werden?
Wir leben in Deutschland nicht in einer Start-up-Kultur wie in den USA. Dort sind deutlich mehr Wagniskapitalgeber am Markt, sodass es grundsätzlich einfacher ist, eine Finanzierung zu finden. Auch mit dem Scheitern geht man dort anders um. In den USA gilt eher das Sprichwort „Ein Unternehmer ohne Insolvenzverfahren ist kein Unternehmer“. Wer dort einmal gescheitert ist, geht mit der nächsten Idee an den Start. Für gute Ideen und Start-ups, die gegebenenfalls auch schon ein konkretes Produkt auf den Markt gebracht haben, gibt es jedoch auch hierzulande wirtschaftlich potente Wagniskapitalgeber. Am Ende liegt es einfach in der Natur der Sache, dass sich nicht jede Start-up-Idee durchsetzt.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Markt zukünftig verändern?
Dem Start-up-Markt wird künftig eine deutlich größere Bedeutung zukommen. Deutschland ist ein Hochtechnologie-Land. Das heißt, wir leben davon, dass unsere gut ausgebildeten Ingenieure neue Ideen auf den Markt bringen und ausprobieren. Der ursprüngliche Ansatz, dass Großunternehmen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Innovationen vorantreiben, wird nunmehr gedoppelt. Einerseits von den Start-up-Unternehmen als Ausgründungen von Forschungseinrichtungen und Universitäten, aber zunehmend auch von Privatleuten, die mit einer innovativen Idee quasi aus der Kalten loslegen. Innovation hat sich mittlerweile ein Stück weit als eigener Markt verselbstständigt und ist nicht mehr so sehr von den Forschungsabteilungen großer Konzerne abhängig.
Sie denken also, dass es da in Zukunft mehr Chancen gibt, sich zu entwickeln und neue Ideen auf den Markt zu bringen?
Ja, richtig. Wir befinden uns in Deutschland immer noch im Übergang von einer industriell geprägten Gesellschaft mit einem starken Dienstleistungssektor hin zu einer Innovationsgesellschaft. Und um es klar zu sagen: Angesichts der strategischen Lage der Weltwirtschaft ist das auch die einzige Chance, das hohe Wohlstandslevel in Deutschland langfristig zu halten.
Wie sollten Sanierungsansätze für insolvente Start-ups aussehen – ist „noch ein Investor“ tatsächlich die Lösung?
Das Hinzuziehen von weiteren Investoren ist eigentlich der Normalfall. Das setzt voraus, das die bisherige Gesellschafterstruktur auch in der Lage ist, neue Geldgeber aufzunehmen. Denn klar ist, dass jeder neue Gesellschafter den Kuchen für die Altgesellschafter kleiner macht. Wenn aber auf Gesellschafterebene Meinungsverschiedenheiten über die strategische Ausrichtung des Geschäftsmodells überhandnehmen und auch nicht mehr konsensual zu lösen sind, ist ein Sanierungsverfahren manchmal ein geeignetes Instrument, weil am Ende der Streitereien meist der Cash ausgeht. Dann muss nach Lösungen gesucht werden, die a) den Geschäftsbetrieb erhalten und b) den „gordischen Gesellschafter-Knoten“ zerschlagen und den Weg zu einer neuen Finanzierungsrunde ermöglichen. Hier ist ein Eigenverwaltungsverfahren immer eine strategische Option, die man als CRO mitdenken sollte.
Was können Start-ups tun, um sich dauerhaft am Markt zu halten?
In erster Linie müssen Start-ups in der Phase, in der sie noch nicht profitabel sind, über ausreichende Liquidität verfügen. Daher besteht ein Teil der Managementleistung der Gründer darin, potente Geldgeber zu finden. Parallel dazu muss das Geschäftsmodell kontinuierlich vorangetrieben werden, um die Notwendigkeit der Bereitstellung neuer Gelder möglichst schnell zu verringern. Am Ende des Tages ist das Ziel eines jeden Start-up-Unternehmens, einen rundlaufenden, profitablen Geschäftsbetrieb aufzubauen.
Welchen Ratschlag würden Sie Gründerinnen und Gründern mit auf den Weg geben?
Erstens: Haben Sie Ihre Zahlen im Blick! Planung ist das halbe Leben. Zweitens: Gehen Sie offensiv mit Krisen um! Das gilt auch für sich abzeichnende Liquiditätskrisen. Für den Fall, dass eine Finanzierung mit der bisherigen Investorenstruktur nicht mehr möglich ist, sollten die Gründer auch die Möglichkeiten, die ihnen der Gesetzgeber im Bereich des Sanierungsrechts an die Seite gibt, kennen und, wenn nötig, zielgerichtet einsetzen. Dadurch kann aus manch auswegloser Situation ein echter Neuanfang werden. Drittens: Bleiben Sie grundsätzlich positiv. Am Ende gibt es immer eine Lösung, auch wenn diese manchmal der Neuanfang ist. Ganz nach dem Motto von Samuel Backett: „Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.“
Gibt es derzeit Entwicklungen, die Start-ups kennen sollten?
Aktuell zeichnet sich ab, dass auch in der Rechtsprechung spezielle Fragestellungen, die Start-ups umtreiben, diskutiert werden. Das gilt insbesondere im Hinblick auf Themen der insolvenzrechtlichen Überschuldung und dem zugrundeliegenden Planungshorizont. Ich werte das als gutes Zeichen hin zu einer sich verfestigenden Start-up-kultur, auch in Deutschland.
Vita:
Christian Krönert ist als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Partner bei VOIGT SALUS. an den Standorten Leipzig, Dresden und Chemnitz. Er berät ausschließlich auf dem Gebiet des Insolvenzrechtes und dort insbesondere bei Fragen der Betriebsfortführung und Unternehmenssanierung im Rahmen von Eigenverwaltungsverfahren. Von den Amtsgerichten Chemnitz, Dresden und Leipzig wird er regelmäßig zum Insolvenzverwalter bestellt.
Im Interview mit Christian Krönert
Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter, Partner
VOIGT SALUS. Rechtsanwälte und Insolvenzanwälte
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