Aussetzung der Insolvenzantragspflicht endet – was bedeutet das für Unternehmen?
Mit dem heutigen 30. April geht die Ausnahmeregelung zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zu Ende. Ab dem 1. Mai 2021 müssen Unternehmen bei Insolvenzreife entsprechend wieder einen fristgerechten Insolvenzantrag stellen – selbst dann, wenn ihre Zahlungsunfähigkeit durch die Corona-Krise entstanden ist. Was kommt jetzt auf Unternehmen und Geschäftsführung zu? Steht die lange befürchtete Insolvenzwelle nun doch noch bevor?
Aussetzung zuletzt nur noch als Ausnahme
Die nun auslaufende Sonderregelung war für Unternehmen in den letzten Monaten nur noch in Ausnahmefällen wirksam. Unter diesen Bedingungen galt die Verlängerung der Aussetzung bis 30. April 2021:
- Die Pandemie war der Grund für die finanzielle Schieflage
- Das Unternehmen hatte bis Ende Februar 2021 staatliche Hilfszahlungen wie z. B. November- oder Dezemberhilfe beantragt und wartete auf Auszahlung
- Die ausstehenden Hilfszahlungen waren ausreichend, um die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu stabilisieren
Mehrfache Verlängerung der Hilfsmaßnahme
Die zeitweise Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde im Frühjahr 2020 beschlossen. Sie sollte dazu dienen, Unternehmen, die durch die Corona-Krise in finanzielle Schwierigkeiten geraten waren, vor einer Insolvenz zu bewahren. Im Zusammenspiel mit staatlichen Hilfsmaßnahmen wie Kurzarbeitergeld, Zuschüssen und KfW-Sofortkrediten sollten die Betriebe stabilisiert werden. Ursprünglich war die Regelung nur bis Ende September 2020 angesetzt. Mit dem Andauern der Corona-Krise wurde sie allerdings mehrfach verlängert. Dabei wurden die Bedingungen für die Insolvenzantragsaussetzung allerdings immer weiter verschärft. So galt bereits die erste Verlängerung bis Ende Dezember 2020 nur noch für überschuldete, aber noch zahlungsfähige Unternehmen. Weitere Verlängerungen zuerst bis Ende Januar und dann schließlich bis Ende April 2021 griffen dann, wie gesehen, nur noch bei Unternehmen, die auf Hilfszahlungen warteten.
Bedingungen oft nicht bekannt
In den eingeschränkten Geltungsbedingungen lag ein zentrales Problem der verlängerten Aussetzung der Antragspflicht. Beobachter gehen davon aus, dass sich viele Unternehmen weiter für antragsbefreit hielten, obwohl sie längst wieder hätten Insolvenz anmelden müssen. Es ist durchaus möglich, dass manche Unternehmen bereits seit letztem Oktober zum Insolvenzantrag verpflichtet waren, aber nicht entsprechend gehandelt haben. Ein Indiz dafür ist der massive Rückgang bei den Insolvenzzahlen.
Die Insolvenzen sind bei den Unternehmen nach Daten der Creditreform Wirtschaftsforschung* 2020 trotz Krise und Rezession im Vergleich zu 2019 um 13,4 Prozent zurückgegangen. Sie fielen auf den niedrigsten Stand seit Einführung der Insolvenzordnung Ende der 1990er Jahre. Damit habe sich die Entwicklung der Konkurse nicht nur von der tatsächlichen Wirtschaftslage abgekoppelt – es verblieben auch viele Unternehmen am Markt, die unabhängig von Corona nicht mehr überlebensfähig wären. Die lange Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist nach Ansicht vieler Beobachter einer der Hauptgründe für diese Verzerrungen.
Persönliches Risiko der Geschäftsführung
Haben Unternehmen in den letzten Monaten keine Insolvenz angemeldet, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wären, können dadurch ernste Konsequenzen für Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer drohen. Denn sie sind verpflichtet, den wirtschaftlichen Status ihres Unternehmens jederzeit zu kennen. Sie müssen außerdem wissen, ob sie unter etwaige Sonderregelungen wie die verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht fallen, oder nicht. Können sie dies selbst nicht ermitteln, müssen sie sich Hilfe bei Rechtsexperten suchen.
Die Gefahr: Wurde bei Eintritt in die Insolvenzreife nicht rechtzeitig ein Antrag beim zuständigen Insolvenzgericht gestellt, steht der Vorwurf einer möglichen Insolvenzverschleppung im Raum. Dafür kann die Geschäftsführung mit Geldstrafen oder bis zu drei Jahren Haft belangt werden. Hinzu kommt die persönliche Haftung für unrechtmäßige Zahlungen des Unternehmens nach der Insolvenzreife. Außerdem sind Tätigkeits- und Gewerbeverbote sowie weitere Verfahren, etwa wegen Betrugs, Untreue oder vorenthaltener Sozialleistungen, möglich. Hier könnten manchen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern, wenn sie nun verspätet oder gar nicht Insolvenz anmelden, unangenehme Konsequenzen drohen.
Insolvenzwelle bleibt wohl aus
Tritt ab Mai die Insolvenzantragspflicht wieder uneingeschränkt für alle Unternehmen in Kraft, ist durchaus davon auszugehen, dass auch die Insolvenzzahlen ansteigen werden. Eine Häufung durch verzögerte und verspätete Anmeldungen ist möglich. Die lange Zeit befürchtete Insolvenzwelle wird nach Ansicht vieler Beobachter wohl aber auch dieses Mal nicht über die Wirtschaft hereinbrechen. Denn es gibt nach wie vor eine ganze Reihe staatlicher Hilfsmaßnahmen, zudem haben viele Unternehmen in letzter Zeit günstige Kredite bekommen. Die Schäden durch die Corona-Pandemie werden sich bei vielen Unternehmen wahrscheinlich erst in Form von mittelfristigen und Langzeitfolgen zeigen. Statt von einer einmaligen, massiven Welle, ist eher von einem zunehmenden Anschwellen der Insolvenzen über die nächsten Jahre auszugehen.
Weitere Verlängerung der Aussetzung?
Es gibt Stimmen aus der Politik und aus Branchen wie dem Handel, dem Gastgewerbe oder dem Veranstaltungsbereich, die eine weitere Verlängerung der Maßnahme fordern. Im Prinzip könnte dies rückwirkend ab dem ersten Mai beschlossen werden. Allerdings bekommen solche Vorstöße starken Gegenwind von Kritikern und stoßen auf viel Ablehnung. Letztlich würde eine nochmals verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht die momentanen Probleme der Unternehmen wohl nicht lösen, sondern nur weiter aufschieben. Die bisherigen Unsicherheiten in vielen Geschäftsetagen würden andauern. Und je länger mögliche Insolvenzen verschleppt werden, desto mehr geht dies auch zu Lasten von Gläubigerinnen und Gläubigern.
*Hier finden Sie die Pressemeldung der Creditreform zum Insolvenzgeschehen 2020.
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beitrag von Frank-Rüdiger Scheffler
Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter bei der Tiefenbacher Insolvenzverwaltung.
Telefon: +49 351 477 82 51