Corona führt zu Insolvenz-Paradox
In den vergangenen Monaten hat die deutsche Wirtschaft durch Corona einen historischen Einbruch erlebt: Lockdown, Kontaktverbote, weggebrochene Aufträge, eingefrorene Lieferketten. Wirtschaftsforschungsinstitute wie das IWH erwarten angesichts dessen für 2020 einen Konjunkturrückgang von 5,1 Prozent. Im Normalfall hätte ein derartiger Einbruch einen drastischen Anstieg der Insolvenzen zur Folge. Doch die nun von Creditreform vorgelegten Zahlen für das erste Halbjahr zeigen stattdessen: Die Zahlen sind nicht nur stagniert, nein, die Insolvenzen sind um deutliche 8,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen.
Unerwünschte Mitnahmeeffekte
Laut Creditreform liege das an mehreren Faktoren. So hätten staatliche Hilfsmaßnahmen wie Förderkredite, Zuschüsse für Selbstständige und Kleingewerbe sowie die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht es nicht nur geschafft, einen Anstieg der Insolvenzen einzudämmen. Die Maßnahmen seien stattdessen über das Ziel hinausgeschossen und hätten unerwünschte Mitnahmeeffekte erzeugt. Also: Unternehmen vor einer Pleite bewahrt, die ohne Corona und den Lockdown sicher hätten Insolvenz beantragen müssen. Als verstärkender Faktor kämen Bearbeitungsrückstände bei den Insolvenzgerichten hinzu. Auch hier hatte Corona den Betrieb oft beeinträchtigt.
Experten erwarten verzögerte Insolvenzwelle
Wie viele andere Beobachter, geht jedoch auch die Creditreform Wirtschaftsforschung davon aus, dass die befürchtete Insolvenzwelle nicht verhindert wurde. Sie verzögere sich lediglich, bis die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht am 30. September 2020 ende. Denn dass sich das Gros der Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt erholt haben werde, bezweifeln die Experten. Zu schwer sei die Krise gewesen.
Branchen ungleich betroffen
Der momentane Rückgang der Insolvenzen betrifft nicht alle Wirtschaftszweige gleichermaßen. Wo die Pleiten im Baugewerbe um 9,4 Prozent und im Handel sogar um 10,2 gesunken seien, sind sie beim verarbeitenden Gewerbe auf dem Vorjahreswert stagniert. Ein weiteres Paradox: Trotz rückläufiger Insolvenzen ist der Gläubigerschaden mit 12 Milliarden Euro auf den höchsten Wert seit Jahren gestiegen. Das liege den Experten zufolge daran, dass immer mehr große Unternehmen wie zuletzt Galeria Karstadt Kaufhof, Esprit oder Vapiano betroffen seien.
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