Einzelhandel unter Corona: Aktuelle Lage und Ausblick
Schließungen, Zugangsbeschränkungen im wichtigen Weihnachtsgeschäft und Lieferengpässe: Auch 2021 hatte das Virus die Geschäfte im Einzelhandel maßgebend beeinflusst. Nach zwei Jahren Unsicherheit hofft die Branche 2022 nun auf stabilere Erlöse. Wie stehen die Chancen darauf?
Einzelhandel blickt auf durchwachsenes 2021 zurück
Mit Blick auf das Jahr 2021 zieht der Handelsverband Deutschland (HDE) eine gemischte erste Bilanz. So sei zwar einerseits der boomende Onlinehandel für die Branche ein Wachstumstreiber gewesen. Andererseits hätten weite Teile des stationären Non-Food-Handels deutliche Umsatzverluste eingefahren.
Die zeitweilige Erholung im Sommer und das zunächst gut angelaufene Weihnachtsgeschäft hatten die gesamte Branche hoffen lassen. Die Einführung der 2G-Regelung im letzten November war allerdings ein Einschnitt, der die Händler in der eigentlich umsatzstärksten Zeit des Jahres massiv ausbremste. Befragungen des Handelsverbandes Deutschland unter insgesamt rund 5.000 Handelsunternehmen deuten darauf hin, dass der Einzelhandel unter 2G-Bedingungen Umsatzverluste in Milliardenhöhe hinnehmen musste. Eine andere HDE-Umfrage zeigt, dass 46 Prozent der Händler, die unter 2G arbeiten mussten, ihre Geschäftslage als schlecht einschätzten – ohne die Schutzregelung waren es 24 Prozent. Insgesamt sieht der HDE die Umsätze 2021 – vor allem aufgrund des starken Onlinesektors – preisbereinigt auf dem Vorjahresniveau. Doch die Situation ist für viele Händler angespannt – auch Anfang 2022.
Vor allem stationärer Textilhandel leidet
Der Bekleidungshandel steht unter besonderem Druck. In diesem Bereich liegen die Umsätze noch immer um bis zu 30 Prozent hinter dem Vorkrisenniveau. Insgesamt bewerten laut HDE 62 Prozent der stationären Textilhändler die Lage als schlecht – deutlich mehr als in anderen Einzelhandelskategorien. Gerade die Rückgänge bei Umsätzen und Kundenfrequenz im wichtigen Monat Dezember haben den Bekleidungshändlern zugesetzt.
Zusätzliche Belastung durch Lieferprobleme
Neben den Beschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie sieht sich die Branche auch mit beständigen Lieferproblemen konfrontiert. Laut Angaben des ifo-Instituts meldeten im Dezember 2021 fast 82 Prozent der Händler, dass nicht alle bestellten Artikel geliefert wurden. Der Einzelhandel trage damit eine doppelte Last, denn Händler könnten nicht alle Produkte anbieten und Kunden kauften aufgrund der hohen Inzidenzzahlen nur ungern ein. Die gesamte Breite des Nonfood-Sortiments ist betroffen und sogar mehr als die Hälfte des Nahrungs- und Genussmittelhandels beklagt Lieferschwierigkeiten. Wenig optimistisch zeigt sich der Einzelhandel hinsichtlich eines schnellen Endes der Lieferprobleme. Es wird erwartet, dass diese zumindest noch das Geschäft im ersten Halbjahr 2022 belasten werden.
Eine Folge davon sind Preisanpassungen. Laut einer ifo-Umfrage aus dem Januar 2022 wollen fast 58 Prozent der Einzelhändler in den nächsten Monaten entsprechende Anpassungen vornehmen. Das Institut hat aufgrund branchenübergreifender Teuerungen seine Inflationsprognose mittlerweile auf vier Prozent angehoben.
Strukturwandel läuft weiter
Die Herausforderungen für den Handel waren in den letzten beiden Jahren einschneidend – eine Rückkehr zu den Strukturen und Prozessen von vor der Pandemie erscheint unrealistisch. Das immer stärkere Zusammenwachsen von Offline- und Online-Welt wird sich stattdessen rasant fortsetzen. Damit ist die Digitalisierung der Geschäftsprozesse für den gesamten Einzelhandel wohl die zentrale Aufgabe der nächsten Monate und Jahre. So könnte laut dem Institut für Handelsforschung Köln bereits 2025 jeder fünfte Handelseuro online realisiert werden.
Im Umkehrschluss bedeutet dies aber, dass auch in drei Jahren knapp 80 Prozent der Umsätze weiterhin stationär erzielt werden. Was sich deshalb bei aller Transformation nicht ändern dürfte, sind die Grundzutaten des erfolgreichen Handelns: Sortiments- und Beratungskompetenz, Kundenzentrierung, Warenverfügbarkeit, ein von Kundinnen und Kunden nachvollziehbares Preis-Leistungs-Verhältnis und Anpassungsfähigkeit – online und offline.
Vorsichtiger Optimismus
Nach Meinung von Beobachtern könnte Omikron dem stationären Einzelhandel kurzfristig weiter zu schaffen machen. Eine Entspannung in den nächsten Monaten scheint aber sehr wahrscheinlich. Der Handelsverband rechnet entsprechend für 2022 mit einem Umsatzplus von drei Prozent – wenn die Auswirkungen der Pandemie zeitnah nachlassen. Allerdings räumt der Verband ein, dass der größte Teil des Wachstums nach wie vor beim Onlinehandel liegt, dem dieses Jahr ein prognostiziertes Wachstum von fast 14 Prozent bevorsteht.
Gerade die Innenstadthändler dürften hingegen weiterhin unter den Folgen der Pandemie leiden – hier seien noch einmal knapp 16.000 Geschäfte in ihrer Existenz bedroht. Dass die 2- und 3-G-Regeln für den Einzelhand aktuell flächendeckend wieder abgeschafft werden, ist allerdings ein wichtiges Signal, das auch dem stationären Teil der Branche Hoffnung machen dürfte.
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beitrag von Simon Leopold
Geschäftsführer ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG
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