Externe Krisenbewältiger – Interimsmanager in Sanierung und Restrukturierung
Im Krisenfall kommen zum Tagesgeschäft eine Menge zusätzlicher Aufgaben für die Führungsebene eines Unternehmens hinzu: Problemursachen müssen gefunden, eine zukunftsfähige Strategie für den Betrieb entwickelt und Liquidität wiederhergestellt werden. In dieser Situation kann ein unabhängiger Spezialist mit Krisenerfahrung eine wichtige Stütze sein. Wir sprachen mit Unternehmensberater Simon Leopold von ABG Consulting-Partner über solche Interimsmanager in Krisensituationen.
Herr Leopold, was kann man sich unter einem Interimsmanager vorstellen?
„Ein Interimsmanager ist im Prinzip ein Problemlöser auf Zeit: ein Externer mit einem ganz bestimmten Know-how, den sich ein Unternehmen kurzfristig an Bord holt. Er kommt in den Betrieb, arbeitet sich schnell ein, erfüllt seine Aufgabe und übergibt meist schon nach wenigen Monaten den Posten wieder an seinen Nachfolger.“
Wann braucht ein Unternehmen einen solchen „Problemlöser auf Zeit“?
„Das kann in ganz unterschiedlichen Situationen der Fall sein: Beispielsweise, wenn ein neuer Geschäftsbereich aufgebaut werden soll, wenn die Abläufe im Betrieb ins Stocken geraten sind oder wenn zeitweilige Lücken in der Führungsetage geschlossen werden sollen. Sehr häufig treten Interimsmanager auch bei Unternehmenskrisen auf den Plan: Dann helfen die Externen, den Betrieb wieder auf Kurs zu bringen. Denn oft fehlt der Führung das spezielle Wissen für den Umgang mit Krisenszenarien und auch den Haftungsthemen die damit im Zusammenhang stehen. Oder manchmal wissen die Entscheider gar nicht, worin überhaupt die Ursachen der Krise in ihrem Haus liegen. Die sogenannte ‚Betriebsblindheit‘ hat eingesetzt.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
„Stellen Sie sich ein Unternehmen im Wachstum vor: Innerhalb von wenigen Jahren hat sich die Mitarbeiterzahl von acht auf über 50 erhöht. Man eröffnet sogar einen zweiten Standort mit einem neuen Kompetenzbereich. Alles läuft gut, doch plötzlich geraten die Abläufe durcheinander, Mitarbeiter können nicht mehr effektiv arbeiten, Aufträge verzögern sich, Anfragen stauen sich, wichtige Zahlungen bleiben aus, die Kreditlinie ist im Anschlag. Die Stimmung kippt, doch keiner im Unternehmen weiß so recht, woher die Krise plötzlich kommt. Was war die Ursache? Man hat schlicht vergessen, die interne Organisation an das schnelle Größenwachstum des Betriebs anzupassen: Es wurde verpasst, eine zweite Führungsebene aufzubauen, es gibt keine Personalabteilung. Jede Frage, jedes Problem, jedes Formular – alles landet nach wie vor beim Chef. Und der ist entsprechend überfordert und kann sich nicht mehr richtig um Strategie, Controlling und Finanzen kümmern.“
Und ein Interimsmanager kann da weiterhelfen?
„Ja, denn erstens blickt er aus einer neutralen Perspektive auf die Verhältnisse vor Ort. Er ist nicht emotional, aus Karrieregründen oder durch die tägliche Routine an die Abläufe im Unternehmen gebunden. Er kann nüchtern-analytisch herangehen und oft besser abschätzen, was da gerade schiefläuft. Daneben besitzt ein solcher Experte im Gegensatz zur Unternehmensleitung meist einiges an Spezialwissen und Erfahrung in der Restrukturierung oder Sanierung.“
Wie tritt der Interimsmanager im Krisenfall in Aktion?
„Er kann als reiner Berater vor Ort fungieren oder – noch effektiver – als Bevollmächtigter und häufig vorübergehender Geschäftsführer, der im Unternehmen Entscheidungen treffen und auch durchsetzen kann. Der Interimsmanager kann auf diesem Weg helfen, Probleme zu erfassen, die Strukturen und Prozesse im Unternehmen gezielt zu verbessern. Im Fall einer Insolvenz wird ein erfahrener Interimsmanager von Gerichten und Gläubigern häufig sogar als Voraussetzung angesehen, damit die Betriebsleitung das Verfahren in Eigenverwaltung durchführen kann. In dieser Rolle entwickelt der Interimsmanager Lösungsstrategien für das Unternehmen, stellt die Zahlungsfähigkeit wieder her, sucht Finanzierungsansätze, führt Gespräche mit Mitarbeitern, Gläubigern, Kunden und Lieferanten und kann auf Investorensuche gehen. Dabei hält der Interimsmanager Fristen ein und beachtet Vorgaben des Insolvenzrechts. So bleibt der Geschäftsführung der Rücken für das Tagesgeschäft frei. Denn mit den zusätzlichen Spezialaufgaben in der Insolvenz ist das Management meist überfordert.“
Es gibt also Unterschiede in der Begleitung einer Insolvenz und einer außergerichtlichen Sanierung?
„Ja, zum Teil erhebliche. In der außergerichtlichen Sanierung besitzt ein Unternehmen oft noch etwas finanziellen Gestaltungsspielraum und die Geschäftsführung hat im Idealfall von selbst festgestellt, dass etwas nicht richtig rundläuft. Außerdem ist die Stimmung nicht so angespannt. Hier hat der Interimsmanager meist noch Zeit für die benötigten Maßnahmen und Gespräche. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass das Management die benötigten Restrukturierungsansätze mitträgt und dass wichtige Gläubiger wie Banken noch ausreichend Vertrauen in das Unternehmen haben. In der Insolvenz hingegen fehlt es nicht nur an Geld, auch Zeit ist knapp – gerade in der Anfangsphase. Es gibt viele Aufgaben gleichzeitig zu erledigen: Den Geschäftsbetrieb am laufen halten, Mitarbeiter informieren und motivieren, Gläubiger einbinden und die Finanzierung sicherstellen.“
Was zeichnet einen guten Krisenmanager aus?
„Als Problemlöser auf Zeit, muss er schnell agieren können. Er braucht außerdem einen klaren Blick für das, was schiefläuft, und das, was man dagegen tun kann. Ein Interimsmanager muss zudem strategisch und entschlossen handeln – manchmal auch unbeliebte Empfehlungen aussprechen oder riskante Entscheidungen treffen. Denn gerade in Krisensituationen lassen sich Risiken nie ganz ausschließen. Hinzu kommt oft das angespannte Klima, dass in den Unternehmen vorherrscht: Menschen sehen ihre Arbeitsplätze bedroht, der Unternehmer bangt um sein Lebenswerk. Hier sollte der unabhängige Experte sich von Emotionen nicht abschrecken lassen und all seine Vorschläge und Handlungen sachlich aber bestimmt erklären. Ein Gespür für notwendige Entscheidungen und Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen sind deshalb unverzichtbar.“
Menschenkenntnis spielt also auch eine Rolle im Krisenfall?
„Vielleicht die entscheidende! Denn den besten Eindruck davon, wie die Dinge in einem Betrieb laufen, erhält der Interimsmanager neben der Auswertung der Geschäftszahlen auch im Gespräch mit Mitarbeitern, der Führungsebene, mit Kunden, Finanzierern und Geschäftspartnern. Hierbei wird einem geübten Zuhörer deutlich, wo die Ursachen für die Probleme liegen: Mangelt es an Wirtschaftlichkeit oder Qualität der Produkte? Rentiert sich ein Teil des Angebotsportfolios nicht? Sind Kompetenzen und Aufgabenfelder unklar? Fehlt ein effektives Controlling? Stimmen Preisgestaltung und Kundenstruktur nicht? Gespräche sind auch ein wichtiges Mittel, um das Vertrauen der Menschen im Betrieb zu gewinnen und sie von der eigenen Kompetenz als Krisenmanager zu überzeugen. Denn es sind die Betriebsangehörigen, die mit festgefahrenen Routinen und Business-as-usual die Probleme oft erst verfestigt haben. Und es sind immer Menschen, die von neuen Lösungen überzeugt werden müssen. Und Menschen sind es, die die gemeinsamen Restrukturierungsansätze tragen und umsetzen müssen – von der Belegschaft über die Finanzierungspartner und Kunden bis hin zu den Gläubigern und Richtern im Insolvenzverfahren.“
Die Möglichkeiten und Grenzen des Interimsmanagers als …
Berater: Hier hat der Experte eine unterstützende Funktion. Er wird vom Management engagiert und gibt seine Empfehlungen an die Geschäftsführung weiter. Ob diese jedoch umgesetzt werden, darauf hat er wenig Einfluss – dadurch aber auch weniger Verantwortung.
Interimsgeschäftsführer: Er übernimmt kurzfristig und für einen begrenzten Zeitraum den Job eines Geschäftsführers. Damit besitzt er den vollen Handlungsspielraum des Managers, muss für seine Handlungen und Entscheidungen aber auch Verantwortung übernehmen.
Generalbevollmächtigter: Er vertritt einen Vollmachtgeber – beispielsweise den Inhaber eines Betriebes – rechtlich und bei der Leitung des Unternehmens. In dieser Position kann er Entscheidungen treffen und Einfluss auf die Prozesse in der Firma nehmen. Im Zweifelsfall haftet oft der Vollmachtgeber. Allerdings kann auch der Bevollmächtigte unter Umständen für seine Handlungen haftbar gemacht werden.
beitrag von Simon Leopold
Geschäftsführer ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG
Telefon: +49 351 437 55-48