Unternehmenskrisen frühzeitig erkennen
Viele Unternehmer wollen sich eine Krise zunächst nicht eingestehen. Dabei kann die Schieflage auch eine Chance für einen ganzheitlichen Neustart sein. Je früher eine drohende Krise erkannt wird und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, desto größer sind die Erfolgsaussichten.
Unternehmenskrisen beginnen meist schleichend und sind oftmals die Folge von fehlenden strategischen Anpassungen über mehrere Jahre hinweg. Dass eine Unternehmenskrise plötzlich, sozusagen über Nacht kommt, ist die absolute Ausnahme. Corona ist so ein Sonderfall und zählt zu den sogenannten exogenen Schocks – das sind überraschende Änderungen äußerer Variablen durch unvorhergesehene Ereignisse. Infolge von gesetzlichen Einschränkungen, wie etwa Öffnungsverboten, können auch zuvor gesunde Unternehmen kurzfristig in Not geraten.
Herbeireden vs. Schönfärberei
Es ist nur ein schmaler Grat. Während die einen überall eine Krise lauern sehen, leugnen die anderen jegliche Anzeichen – beides kann das Problem verschärfen: Wenn die Krisenvorboten nicht wahrgenommen werden, können natürlich auch die erforderlichen strategischen Anpassungen nicht vorgenommen werden und die Krise intensiviert sich schleichend. Genauso kann aber das ständige „Sehen“ von Krisenanzeichen das Problem erst erschaffen.
Wenn das ganze erst aus dem Ruder läuft …
Häufig wird die Krise erst eingestanden, wenn der Handlungsdruck stark gestiegen ist und die Liquidität zur Finanzierung des Tagesgeschäfts nicht mehr ausreicht. Doch steckt ein Unternehmen in der Liquiditätskrise, ist der zur Verfügung stehende Handlungsspielraum bereits stark geschrumpft. Unterstützung von außen wird meist erst angefragt, wenn gar nichts mehr geht, weil zum Beispiel das Geld für die nächsten Lohnzahlungen oder Sozialabgaben nicht ausreicht, die Bank die Kontokorrentlinie gekündigt hat oder der Hauptkunde abgesprungen ist. Doch dann bleibt auch den Fachexperten kaum noch Bewegungsfreiheit. Dabei ist eine Krise keine Schande, entscheidend ist nur der Umgang damit.
Sechs Phasen von Unternehmenskrisen
Um Unternehmenskrisen frühzeitig zu erkennen, ist es hilfreich, zu wissen, in welchen Phasen eine Krise verläuft und auf welche Anzeichen jeweils geachtet werden muss. Denn: Je nach Krisenstadium unterscheiden sich die Ansätze für das Krisenmanagement. Bei rechtzeitigem Erkennen und Gegensteuern bietet eine Krise viele Chancen. Schließlich zeigen die Herausforderungen, an welcher Stelle intensiv gearbeitet werden sollte und wo Potenzial liegt.
1. Stakeholderkrise
Die Probleme fangen häufig klein an. Da die Stakeholderkrise zunächst keine finanziellen Auswirkungen hat, wird sie in den meisten Unternehmen nicht erkannt. Auslöser kann ein Konflikt zwischen einzelnen Stakeholdern sein, beispielsweise der Geschäftsleitung und der Arbeitnehmervertretung oder häufig auch unter den Gesellschaftern. Wenn solche Differenzen auf Dauer nicht beigelegt werden, kann dies zu Blockaden und Reibungsverlusten führen. Auch Informationsdefizite in der Geschäftsführung oder ein schlechtes Betriebsklima können Krisenursachen sein. Die Konsequenzen sind dann eine sinkende Motivation der Mitarbeitenden und die Verhinderung von notwendigen Entscheidungen. Unternehmensstrategien können oft nicht weiterentwickelt werden oder der operative Geschäftsbetrieb leidet, weil die Gesellschafter nicht an einem Strang ziehen.
2. Strategiekrise
Durch eine langjährig fehlende Weiterentwicklung der Unternehmensstrategie kann eine Strategiekrise entstehen. Viele Unternehmen handeln in dieser Phase noch nicht, weil sie anfangs immer noch Gewinne erwirtschaften. Doch heutzutage verändern sich Märkte immer schneller und erfordern eine rasche Anpassung an die geänderten Bedingungen. Werden Innovationen nicht vorangetrieben und notwendige Investitionen nicht getätigt, führt dies über kurz oder lang zum Verlust von Marktanteilen und zum Ergebnisrückgang. Selbiges geschieht bei mangelnder Kunden- und Wettbewerbsorientierung oder durch eine fehlende Reaktion auf Qualitätsprobleme. Anzeichen für eine Strategiekrise können sein:
- Rückgang von Umsätzen und Gewinn
- Kundenabwanderung
- Sinkende Anzahl an Neukunden
- Abnehmende Auslastung
- Qualitätsmängel
- Erhöhte Lagerhaltung
- Keine Innovationen
- Sinkende Zufriedenheit von Mitarbeitern, erste Kündigungen unzufriedener (meist leistungsstarker) Arbeitnehmer
- Forderungsausfälle
- Zunehmende Kundenbeschwerden
3. Rentabilitätskrise
Fehlende Marktorientierung macht sich früher oder später in einer Rentabilitätskrise bemerkbar. Nachfrage und Umsätze gehen zurück und infolgedessen auch die Gewinne. Die Reaktion ist oftmals das Aufschieben wichtiger Investitionen. Manche Geschäftsleitung interpretiert entsprechende Kennzahlen auch als Ausrutscher. Dennoch gehen sukzessive Marktanteile verloren und geplante Unternehmensziele werden nicht erreicht. In dieser Phase ist der Handlungsdruck bereits deutlich spürbar. Jetzt kommt es auf eine richtige und schnelle Reaktion im Unternehmen an, beispielsweise die Suche nach den Ursachen der Planabweichungen.
4. Ertragskrise
Ohne wirkungsvolle und systematische Gegenmaßnahmen mündet die Rentabilitätskrise in eine handfeste Ertragskrise – mit existenziellen Folgen für den Betrieb. Spätestens jetzt können Unternehmer die Augen nicht mehr vor den Tatsachen verschließen. In dieser Phase fokussieren sich viele Firmen auf ihre Zahlen und versuchen mittels Kostensenkungsprogrammen die Ergebniskrise zu bewältigen, was häufig zu einseitig gedacht ist. Signale für dieses Krisenstadium sind:
- Negatives Betriebsergebnis
- Auflösung von Rücklagen
- Fehlende Liquidität
- Entlassungen
- Steigende Fremdkapitalanteil
5. Liquiditätskrise
Der negative Cashflow führt dazu, dass das Unternehmen seine Kredite nicht mehr bedienen und Lieferantenrechnungen nicht mehr bezahlen kann. Dadurch tritt die besagte Liquiditätskrise ein und die Existenz des Unternehmens ist akut gefährdet. Der Handlungsspielraum ist in dieser Phase bereits äußerst gering. Nun werden dringend ein Sanierungsplan und neue finanzielle Mittel benötigt. Jedoch erschweren negative Betriebsergebnisses häufig die Vergabe neuer Kredite, alternative Finanzierungen können hier manchmal noch Abhilfe schaffen. Mögliche Indikatoren dieser Phase:
- Zahlungsrückstände oder Zahlungsausfälle
- Voll ausgeschöpfte Kreditlinien
- Mahnungen und Pfändungen
- Massive Verschuldung
6. Insolvenz
Wenn alle Maßnahmen gescheitert sind, oder zu lang untätig geblieben wurde, ist der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unausweichlich. In dieser Phase kann es auch zu Fremdanträgen kommen – zum Beispiel von den Krankenkassen, wenn es Außenstände bei den Beiträgen gibt. Das ist für viele Unternehmer ernüchternd, denn die Insolvenz wird heute vor allem hierzulande zu Unrecht immer noch oft mit Versagen und dem Untergang des Unternehmens gleichgestellt. Dabei bietet das aktuelle Insolvenzrecht bei der richtigen Herangehensweise und der Unterstützung durch sanierungserfahrende Partner gute Chancen auf einen Restart.
Unternehmenskrisen rechtzeitig identifizieren
Um eine potenzielle Krise zu verhindern, sollte ein Frühwarnsystem im Unternehmen etabliert werden. Mit Hilfe von Marktanalysen, Kundenbefragungen, Brancheninformationen und Wirtschaftsnachrichten können Entwicklungen verfolgt und Gefahren frühzeitig erkannt werden. Daneben gilt es, einen Handlungskatalog für den Krisenfall aufzustellen. Wichtig ist außerdem, nicht erst die Bilanz zum Jahresabschluss abzuwarten. Es muss stattdessen eine regelmäßige Liquiditätsplanung sowie eine Analyse der Kennzahlen und der Sachlage des Unternehmens erfolgen. Wichtige Kriterien hierfür:
- Kundenzufriedenheit
- Kundentreue
- Kundenbeschwerden
- Marktanteile
- Produktneuheiten pro Jahr (Vergleich mit Wettbewerbern)
- Neukundengewinnung
- Entwicklung von Auftragseingang und Umsatz
- Auslastung der Maschinen und Anlagen
- Fluktuation der Mitarbeiter
Je früher Sie eine drohende Krise erkennen und aktiv werden, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Wenden Sie sich für einen Austausch oder bei Unterstützungsbedarf gern an uns.
beitrag von Simon Leopold
Geschäftsführer ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG
Telefon: +49 351 437 55-48