Die präventive Restrukturierung kommt

Die präventive Restrukturierung kommt

Außergerichtliche Unternehmenssanierungen werden wohl früher erleichtert als erwartet: Viele Beobachter hatten mit einer Umsetzung der EU-Richtline zu den präventiven Restrukturierungsrahmen in deutsches Recht erst Mitte des nächsten Jahres gerechnet. Doch nun legte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) bereits einen Regierungsentwurf zum sogenannten „Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts“ vor. Inkrafttreten sollen die neuen Regelungen ab Anfang 2021.

Was soll das Gesetz erreichen?

Das vorrangige Ziel ist es, die vorinsolvenzliche Sanierung einfacher zu gestalten. Dazu sollen Unternehmen in die Lage versetzt werden, selbstständig einen Restrukturierungsplan – ähnlich dem Insolvenzplan – zu erarbeiten und diesen mit den Gläubigern zu verhandeln. Dazu werden Gläubigergruppen gebildet, die dem Plan zustimmen müssen. Innerhalb der Gruppen müssen jeweils drei Viertel der Gläubiger mit den Maßnahmen einverstanden sein, damit die Zustimmung der Gruppe als erteilt gilt. Das Besondere: Im Rahmen dieser Verhandlungen können abweichende Minderheiten unter bestimmten Voraussetzungen von den anderen Gläubigergruppen überstimmt werden. Beispielsweise dann, wenn sie bei einer Umsetzung des Plans wirtschaftlich nicht schlechter gestellt wären, als ohne dessen Realisierung. Der von der Mehrheit der Gläubiger abgesegnete Restrukturierungsplan soll dann die Sanierung des Unternehmens ermöglichen

Die Option, sich auch außerhalb einer Insolvenz zu sanieren, hatten Unternehmen zwar bisher auch. Dies erforderte jedoch einen Konsens mit ausnahmslos allen Beteiligten. In der Konsequenz konnten entsprechend schon einzelne Gläubiger eine Lösung unmöglich machen. Angewendet werden soll die außerinsolvenzliche Sanierung künftig bei drohender Zahlungsunfähigkeit.

Vielzahl an Hilfsmitteln

Der Gesetzesentwurf sieht für sanierungsbedürftige Unternehmen einige Hilfsmittel vor: So können sie etwa einen fakultativen Restrukturierungsbeauftragten bestellen, der bei der Ausarbeitung und Verhandlung des Planes unterstützt. Obligatorisch wird ein solcher Beauftragter allerdings, wenn der Restrukturierungsplan gegen den Willen einer Minderheit durchgesetzt werden muss, oder das Schuldnerunternehmen beim Gericht ein Moratorium beantragt. Letzteres schützt im Restrukturierungsprozess unter anderem vor den Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger. Um solche Erleichterung jedoch auch in Anspruch nehmen zu können, muss ein Unternehmen gewisse Voraussetzungen erfüllen. Es muss über die Zeit der Restrukturierung zahlungsfähig bleiben, die Sanierung aus eigener Kraft bewältigen und dabei die Interessen der Gläubiger wahren.

Neue Frist beim Insolvenz-Eröffnungsantrag

Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält nicht nur die Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie – auch bestehende Instrumente des Insolvenzrechts werden weiterentwickelt. Dazu gehört beispielsweise eine Differenzierung bei den Gründen für eine Insolvenzanmeldung: Liegt akute Zahlungsunfähigkeit beim Unternehmen vor, muss wie gehabt binnen drei Wochen ein Antrag gestellt werden. Bei einer Überschuldung soll jedoch künftig eine Frist von sechs Wochen für die Insolvenzanmeldung gelten. Besteht allerdings keine Aussicht auf eine kurzfristige Stabilisierung innerhalb dieser Zeit, muss der Antrag sofort eingereicht werden.

Auch andere Zeiträume werden erstmalig festgelegt oder angepasst: Die Prognosen zur drohenden Zahlungsunfähigkeit etwa werden im Regierungsentwurf auf 24 Monate festgelegt. Der Zeitraum für die Fortführungsprognose bei einer Überschuldung wurde daneben verkürzt: auf nunmehr 12 Monate.

Kriterien für Eigenverwaltung werden strenger

Wird der Gesetzesentwurf in der jetzigen Form umgesetzt, haben es Unternehmen in Zukunft schwerer, eine Insolvenz in Eigenverwaltung in Anspruch zu nehmen. Denn diese soll nur noch gewährt werden, wenn sich die Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger orientiert und für diese keine Nachteile durch die Verfahrensart drohen. Unternehmen dürfen für eine Eigenverwaltung künftig keine schwerwiegenden Rückstände bei Sozialabgaben, Steuern und Ähnlichem haben. Zudem müssen dem Gericht bei Antragstellung umfassende Informationen vorgelegt werden: unter anderem ein Sanierungskonzept, eine Finanzplanung für die nächsten sechs Monate, Informationen zum Stand der bisherigen Verhandlungen mit den Gläubigern sowie eine Aufschlüsselung der Mehr- oder Minderkosten der angestrebten Eigenverwaltung im Vergleich zum Regelverfahren.

Aber: Erleichterungen für Corona-Betroffene

Für Unternehmen, die durch die Auswirkungen von Corona in Schieflage geraten sind, sollen die gesetzlichen Verschärfungen vorerst ausgesetzt werden. Stattdessen ist für sie in 2021 sogar ein leichterer Zugang zur Insolvenz in Eigenverwaltung geplant. Ebenso soll die Fortführungsprognose bei der Überschuldung in bestimmten Fällen auf vier Monate verkürzt werden. Dazu müssen die betroffenen Unternehmen allerdings noch letztes Jahr positive Geschäftszahlen geschrieben und dann in 2020 über 40 Prozent Umsatzeinbrüche erlitten haben.

Den Regierungsentwurf des BMJV finden Sie hier.

Haben Sie Fragen zu möglichen Auswirkungen des angekündigten Gesetzes? Oder beschäftigen Sie andere Themen bezüglich Sanierung oder Insolvenz? Dann wenden Sie sich gern an unsere Experten.

dr.nils-freudenberg

beitrag von Dr. Nils Freudenberg

Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter bei der Tiefenbacher Insolvenzverwaltung.
„Es konnte zwar kein potenzieller Investor ein ernstzunehmendes Angebot einreichen – doch dank des Engagements der Betreiber, erfolgreicher Vermittlung einem aussichtsreichen Insolvenzplan und der Unterstützung Dritter konnte das Steakhouse dennoch weitergeführt werden.“

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