Unternehmensinsolvenzen 2022: eine Trendwende

Die Creditreform Wirtschaftsforschung hat die Insolvenzzahlen für 2022 vorgelegt. Demnach sind die Unternehmensinsolvenzen erstmals seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 wieder gestiegen. Insgesamt war der Anstieg mit vier Prozent mehr Firmenpleiten als im Vorjahr laut Creditreform zwar noch moderat – allerdings sehen die Experten darin erst den möglichen Auftakt zu einem beschleunigten Insolvenzgeschehen.

In einzelnen Branchen deutliche Zunahme

Der Anstieg bei den Firmenpleiten zeige sich zwar fast in allen Hauptwirtschaftsbereichen, bestimmte Branchen sind jedoch deutlich stärker betroffen als andere. So verzeichnet etwa das Baugewerbe eine Zunahme von mehr als 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch das verarbeitende Gewerbe liegt mit rund 15 Prozent mehr Insolvenzen deutlich über dem diesjährigen Durchschnitt. Der Anstieg im Dienstleistungssektor betrug nur knapp drei Prozent – allerdings verzeichnet dieser Wirtschaftsbereich insgesamt immer noch die meisten Insolvenzen. Rückläufig waren die Zahlen hingegen beim Handel – hier mussten knapp sechs Prozent weniger Unternehmen einen Antrag bei Gericht stellen. Darin zeigt sich eine weitere Entwicklung im Insolvenzgeschehen: Waren es im Zuge der Corona-Hochphase und ihrer Einschränkungen vor allem Dienstleister und stationäre Händler, die in Bedrängnis gerieten, trifft es nun vermehrt produzierende und verarbeitende Betriebe mit hohem Energiebedarf.

Kleine Unternehmen weiterhin am stärksten betroffen

Die Zahl der von einer Insolvenz betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat sich im Vorjahresvergleich deutlich erhöht. So waren es 2022 insgesamt 175.000 ArbeitnehmerInnen; 2021: 141.000. Ein Grund für diesen Zuwachs sind zunehmende Großinsolvenzen. Laut Creditreform Wirtschaftsforschung gab es bei Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten einen Insolvenzanstieg von 25 Prozent. Nichtsdestotrotz machten kleine Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitenden immer noch den Großteil – 85 Prozent – des Insolvenzaufkommens aus. Auch Firmen mit einem Alter von höchstens zehn Jahren waren häufiger insolvent: knapp sieben Prozent mehr Fälle als 2021.

Spitzt sich die Entwicklung weiter zu?

Den Creditreform-Experten zufolge träfen die weiter angespannte Wirtschaftslage und die beständige Unsicherheit künftig vor allem KMU. Das dürfte sich auch im Insolvenzgeschehen der nächsten Jahre niederschlagen. Die Wirtschaftsauskunftei weist zudem auf die Gefahren durch die Zinswende hin.

So werde der Kostenaufwand für fremdfinanzierte Unternehmen zunehmend steigen, zugleich stünden die Erträge durch die Gesamtwirtschaftslage unter Druck. Entsprechend dürfte die Fähigkeit, Fremdkapitalzinsen zu tragen, sinken. Das dadurch steigende Risiko für Zahlungsausfälle könnte sich ebenfalls in den kommenden Insolvenzstatistiken zeigen. Laut einer Creditreform-Auswertung wiesen bereits von 2019 bis 2021 über 19 Prozent der fremdfinanzierten Unternehmen keine ausreichende Schuldentragfähigkeit auf. Hier könnte eine Finanzierungskrise schwelen.

Frühe Absicherung heute unerlässlich

Wie können Mittelständler auf das gestiegene Insolvenzrisiko reagieren? Aktuell geht es vor allem darum, wachsam zu sein, Vorsorge zu betreiben und rechtzeitig zu reagieren. Wichtige Instrumente sind hierbei eine Risikofrüherkennung und ein strukturiertes Krisenmanagement. Was viele Unternehmen noch nicht wissen: Beides ist seit 2021 gesetzlich vorgeschrieben. Vereinfacht gesagt, sollen Geschäftsleitungen demnach die kritischen Faktoren für ihr Unternehmen kennen und im Blick behalten. Außerdem müssen sie Gegenmaßnahmen entwickeln und festhalten, die im Krisenfall kurzfristig angewendet werden können.

Grundlegend für die Krisenvorsorge ist auch eine aussagekräftige Liquiditäts- und Unternehmensplanung, die der Geschäftsführung jederzeit einen Überblick über den Zustand des Betriebes ermöglicht. Aufgrund der derzeit großen Unsicherheiten ist hier eine Planung in sehr kurzen Zeitabständen zu empfehlen. Zudem sollten Unternehmen ihren Finanzierungsmix prüfen und diesen ggf. erweitern: Alternative Finanzierungen wie Sale-and-Lease-Back oder Factoring können für zusätzliche Liquidität sowie eine größere Unabhängigkeit sorgen.

Sie haben Fragen zu Themen wie Liquiditätsplanung, Krisenmanagement oder Finanzierung? Melden Sie sich gern bei uns.

 

 

Ronny Baar

GASTBEITRAG VON Ronny Baar

Geschäftsführer

ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG

Mail: baar@abg-partner.de

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