Sanierungsansatz

Kommt das StaRUG als Sanierungsansatz nicht in Gang?

Interview mit Simon Leopold

Seit Anfang 2021 können Unternehmen bei drohender Zahlungsunfähigkeit eine außergerichtliche Restrukturierung in Anspruch nehmen. Doch wie eine aktuelle Statistik zeigt, wurde diese Möglichkeit bisher nur von wenigen Betrieben genutzt. Laut einer Erhebung für den aktuellen INDat-Report gab es bei den 24 zuständigen Restrukturierungsgerichten im letzten Jahr nur 22 Anzeigen für ein solches Verfahren. Vier davon mündeten in gerichtliche Restrukturierungspläne. Fünf Anzeigen wurden wieder zurückgezogen. Neun der 24 Restrukturierungsgerichte hatten überhaupt noch keine Berührung mit StaRUG-Verfahren. Wir sprachen mit Sanierungsexperte Simon Leopold über mögliche Ursachen der geringen Resonanz.

Herr Leopold, ist das StaRUG damit schon im ersten Jahr gescheitert?

Das sollte etwas differenzierter betrachtet werden. Es ist eine sehr geringe Anzahl von angezeigten Fällen, das stimmt. Dies hängt sicher aber auch damit zusammen, dass so ein Verfahren nicht zwangsläufig unter Einbeziehung eines Gerichts stattfinden muss. Im Prinzip ist eine präventive Restrukturierung auch außergerichtlich möglich und muss nur unter bestimmten Bedingungen bei Gericht angezeigt werden – etwa, wenn eine Gläubigerminderheit überstimmt werden soll. Zudem merken manche Beobachter zu Recht an, dass wir generell in einer Zeit niedriger Insolvenzfälle leben, da der Staat vielen Unternehmen zu Hilfe gekommen ist. Diese Umstände werden ebenfalls Einfluss auf die Restrukturierungslandschaft haben. Im Grunde bietet das StaRUG aber durchaus sinnvolle Ansätze für Unternehmen, die sich frühzeitig finanzwirtschaftliche sanieren möchten.

Welche Vorteile hat das StaRUG Ihrer Meinung nach?

Der vielleicht größte Vorteil ist das Mehrheitsprinzip. Das heißt, über Maßnahmen wie das Kürzen von Forderungen wird mit den Gläubigern abgestimmt – einzelne Verweigerer können also im Zweifel überstimmt werden. Insgesamt bietet das StaRUG Unternehmen in der Theorie zahlreiche Möglichkeiten, um sich finanziell neu aufzustellen: Forderungen können gestundet oder gekürzt, Verträge mit Finanzierern und Beteiligungsverhältnisse neugestaltet werden. Hinzu kommt die Möglichkeit, sich für die Zeit der Restrukturierung vor Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger zu schützen oder eine Sanierungsmoderation hinzuzuziehen. Dennoch kann das StaRUG manche praktischen Sanierungsherausforderungen nicht lösen – und vielleicht liegt auch darin ein Grund für die bisher geringe Resonanz.

Könnten Sie diese Grenzen des Gesetzes näher erläutern?

Das StaRUG ist von seiner Ausrichtung her eher für eine finanzwirtschaftliche Neuaufstellung geeignet – also für im Kern gesunde Unternehmen, deren Finanzen wieder geradegerückt werden sollen. Bei manchen Firmen gehen die Herausforderungen jedoch tiefer: Struktur, Angebot, Kundenstamm, Geschäftsprinzip – alles muss auf den Prüfstand. Denken Sie etwa an Händler, die unter den Einschränkungen der Pandemie schwer gelitten haben und sich dringend neu aufstellen müssen. Hier ist für viele die Kündigung oder Anpassung bestehender Mietverhältnisse ein zentraler Sanierungsansatz. Eine kurzfristige Kündigung laufender Verträge ist mit dem StaRUG aber nicht möglich. Deshalb kommt für diese Unternehmen eher eine Sanierung über Insolvenz in Eigenverwaltung, ein Schutzschirmverfahren oder eine Regelinsolvenz in Betracht. Das StaRUG hat einen weiteren Nachteil: In einem solchen Verfahren wird kein Insolvenzgeld für ausstehende Löhne der Beschäftigten gezahlt – diese Leistung fließt in gerichtlichen Verfahren hingegen für bis zu drei Monate. Auch dies kann ein Grund für die bisherige Zurückhaltung in Sachen StaRUG sein. Abschreiben würde ich das Restrukturierungsgesetz dennoch keinesfalls. Die Frage, welches Verfahren für welches Unternehmen tatsächlich geeignet ist, lässt sich in der Praxis nämlich gar nicht immer so leicht beantworten. Da hilft nur eine rechtzeitige und fundierte Betrachtung des jeweiligen Falls.

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Simon Leopold

beitrag von Simon Leopold

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